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»Einem Menschen zu helfen mag nicht die ganze Welt verändern, aber es kann die Welt für diesen einen Menschen verändern.«

Geschrieben von Ümit Uzun, CEO von CHARTERBAR Yachting und Mitgründer von Sail for Kids.

Ich kann mich erinnern, als wäre es erst gestern gewesen. Es war ein normaler Tag im Sommer 2021. Ich war eine Runde joggen, genoss die Natur, die Sonnenstrahlen und die frische Luft um mich herum. Das vergangene Jahr hatte uns im Zuge der Pandemie gezeigt, dass selbst solch einfachen Erlebnisse alles andere als selbstverständlich waren. Umso dankbarer war ich darüber, endlich wieder Dinge tun zu dürfen, auf die wir alle in der kürzesten Vergangenheit verzichten mussten.

Beim Laufen dachte ich über die Segeltörns nach, die ich zusammen mit meiner Tochter Emilia und meiner Frau für die kommende Saison geplant hatte und schwelgte in Erinnerungen zu gemeinsamen Erlebnissen auf dem Wasser. Ich war unendlich dankbar und fühlte mich gleichzeitig privilegiert, in einer Zeit wie dieser, überhaupt Pläne für bevorstehende Segelreisen schmieden zu können. Wir hatten erst vor ein paar Tagen beim Abendessen darüber gesprochen. Die Augen meiner Tochter strahlten beim Gedanken an den nächsten Törn und ich spürte wieder einmal mehr, wie viel Kraft ich aus ihrer Vorfreude schöpfte und wie glücklich ich war, meinem Kind so etwas ermöglichen zu können.Mit einem Mal schoss mir jedoch ein wehmütiger Gedanke in den Sinn, der mich innehalten ließ. Was war mit den Menschen, denen es nicht vergönnt war, derartige Pläne zu haben, geschweige denn, eine solche Reise zu erleben? Was war mit den Kindern, deren Augen nicht hell aufleuchteten, weil Reisen, Segeln und Meer bis dato gar keine Teile ihrer Gedankenwelt waren.

Dieser Gedanke begleitete mich noch einige Tage und dann war ich fest entschlossen: Ich werde es benachteiligten Kindern ermöglichen, den Zauber eines Segeltörns zu erleben. Als Yachtcharter Agentur saßen wir nicht nur an der Quelle, sondern hatten die Partner und die organisatorischen Mittel für ein solches Projekt. Was noch viel wichtiger war: Unsere Kunden würden uns unterstützen, denn sie waren bereit, ihre Leidenschaft des Segelns weiterzugeben. Wer, wenn nicht wir, war also in der Lage, so etwas auf die Beine zu stellen?

Der Name sollte Programm sein. Meine Vision war es, Kinder aus einem Heim mit aufs Wasser zu nehmen. Kinder, die weder das Geld noch die Eltern hatten, die einen solchen Urlaub auf dem Wasser möglich machen konnten. Ich war verblüfft darüber, wie schnell sich so ein einfacher Gedanke in einer konkreten Vision manifestiert hatte. Meine Frau Steffi begeisterte ich sofort für dieses Projekt. Ich wusste, dass ich auf ihre uneingeschränkte Unterstützung zählen konnte und dass ich diese Hilfe auch dringend benötigen würde. Welches Kinderheim wir unterstützen und wie wir das alles finanzieren wollten, war mir dagegen noch nicht klar. Aber eines stand für uns bereits an diesem ersten Abend fest: Es würde funktionieren. Und damit sollten wir Recht behalten. Noch bevor ich zu Hause angekommen war, hatte ich mich bereits für einen Namen für das Projekt entschieden: “Sail for Kids”

Es dauerte nicht lange, um eine soziale Einrichtung zu finden, welche von diesem Projekt profitieren sollte. Das Schifferheim in Würzburg war prädestiniert. Es liegt direkt auf der anderen Straßenseite unseres Büros und wie es das Schicksal will, bringt auch die Geschichte des Heims einen nautischen Gedanken mit sich. Es entstand in den Fünfzigern und diente ursprünglich dazu, den Kindern der Binnenschifffahrt eine feste Bleibe und Schulbildung zu ermöglichen. Dies gab dem Heim auch seinen Namen. Inzwischen bietet das Heim eine Unterkunft für eine Handvoll Kinder zwischen acht und neunzehn Jahren, die dort aufgrund schwieriger Familienverhältnisse leben. Zudem bietet das Heim Berufsschülern von außerhalb eine Unterkunft.

Zu wissen, wen wir mitnehmen wollten, war der eine Schritt, die Heimleitung davon zu überzeugen, dass das Vorhaben ernst gemeint war und die Sache keinen Haken hatte, war die weitaus größere Herausforderung. Die anfängliche Skepsis und Vorsicht hielt sich länger als gedacht. Doch nach einigen Gesprächen mit den Heimleitern und dem Vorstand wichen die ungewissen Gefühle einer großen Vorfreude und je näher der Törn kam, desto größer wurde diese. Parallel dazu mussten wir die finanziellen Mittel beschaffen und geeignete Sponsoren finden, die uns unterstützten. Unsere Partner Spreadshirt, GARMIN und Bürstner Wohnmobile, boten spontan ihre Hilfe an, was uns schon mal einen großen Schritt nach vorn brachte.


Auch unser CHARTERBAR Team unterstützte Steffi und mich zunehmend bei der Organisation des Projektes. Doch um den Törn umsetzen zu können, benötigten wir weitere finanzielle Mittel und noch mehr Unterstützung. Wir setzten alles in Bewegung und kamen dem Ziel Schritt für Schritt näher.


»Wir hatten es tatsächlich geschafft und diese Kinder auf einen Segeltörn mitgenommen.«

Der Törn war wunderschön. Wir konnten segeln, hatten perfektes Wetter, sahen Delfine und schliefen an Deck unter sternenklarem Himmel.

Für mich persönlich war es der bedeutendste Törn meines Lebens. Ich fühlte mich ebenso dankbar wie jedes einzelne Kind, das an Bord war. Das war so nicht auf meiner Liste gestanden und die Bedeutung des Begriffes Dankbarkeit erreichte für mich eine neue Dimension. Segeln ist etwas Wunderbares. Jeder Törn hat seine eigenen Höhepunkte und nimmt in unseren Erinnerungen einen besonderen Platz ein. Doch bereits am ersten Tag auf dem Wasser wurde mir unmissverständlich klar, dass dieser Trip nicht nur etwas Besonderes für die teilnehmenden Kinder und Erzieher war. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir bewusst, was dieses Projekt mit mir bereits im Vorfeld gemacht hatte. Der Prozess, von der Idee bis zum ersten Tag auf dem Wasser, hatte mich verändert. Eine Entwicklung, an der ich merklich gewachsen war und die mir zeigte, was alles möglich ist, wenn man es nur wollte und daran arbeitete.


Was die Kinder betrifft, so vermag ich in Worten nicht zu beschreiben, welche Freude, Dankbarkeit und Freiheit wir bei ihnen erleben durften. Das Leuchten in den Augen der Kids strahlte von Tag zu Tag heller. Aus vorsichtigen, kleinen Individuen wurde in nur ein paar Tagen eine offenherzige, mutige Crew, die das Leben zu umarmen schien und es in vollen Zügen genießen konnte. Eine einzige Woche, die eine derartige Entwicklung hervorzubringen vermochte, war selbst für die Erzieherinnen, die wir ebenfalls mitgenommen hatten, eine unfassbar positive Erkenntnis.

Am Ende des Törns liefen Tränen der Freude sowohl bei den Großen als auch bei den Kleinen. Das Projekt und vor allem der Törn hatten uns verändert – jeden Einzelnen von uns. Ein Projekt, das uns alle verändert hat. Die Segelschule in2theBlue stellte zwei Yachten für den Törn und das Würzburger Getränkeunternehmen Getränke Fritze, sponserte die Getränke für den gesamten Törn. Spreadshirt rüstete die Kinder mit Crew-Shirts, einer Kopfbedeckung und Trinkflaschen aus. Die Firma Hock Reisen stellte uns den Reisebus zum Selbstkostenpreis zur Verfügung. Der Busfahrer, ein guter Freund von mir, spendete postwendend seinen Lohn an das Projekt zurück, während der zweite Busfahrer kostenfrei von dem Reiseunternehmen gestellt wurde. Auch Unternehmen wie Marinepool eilten spontan zu Hilfe und spendeten Rettungswesten. Zu all den offiziellen Hilfen kamen dann noch unsere Kunden und Fans mit ihren Spenden hinzu. Einige sendeten auch Geschenke für die Kinder, wie Säckchen, in denen jeweils zwei Tampen und Schäkel mit Anleitungen für Knoten enthalten waren. Andere wiederum nutzten ihr Unternehmen, um Spendenläufe durchzuführen oder den Erlös aus verkauften Produkten zu spenden. Erst drei Wochen, bevor wir auf das Wasser wollten, standen wir finanziell auf sicheren Beinen. Spenden, die dann noch eingingen, kamen on top und ermöglichten uns, das eine oder andere Essen mit den Kindern in einem Restaurant. Am Ende reichte das Geld für einen Törn ohne Einschränkungen, bei dem niemand auf etwas verzichten musste.


Die ursprüngliche Idee, benachteiligte Kinder auf einen Segeltörn mitzunehmen, hatte den Grundstein für eine gemeinnützige Organisation gelegt. Hätte mir das jemand in den Anfängen des Projektes prophezeit, ich hätte ihm nicht geglaubt. Wahrscheinlich hätte mich der Gedanke eher überfordert.

Daher haben Steffi und ich uns gemeinsam mit meinem Freund Philipp, der auf dem Projekt das zweite Schiff geskippert hatte und seiner Frau Jane dazu entschlossen, die gemeinnützige Organisation “Sail for Kids” zu gründen. Die Entscheidung lag förmlich auf der Hand und bestärkte sich erst recht, nachdem wir alle zusammen einige Monate nach dem Törn im Schifferheim zu einem Nachtreffen zusammengekommen waren.

Inzwischen haben bereits die ersten Stiftungen angeboten, unser Projekt zu unterstützen. Eine Entwicklung, die wir uns in unseren kühnsten Träumen nicht hätten vorstellen können. Dennoch werden wir weiterhin auf Spenden und Unterstützungen angewiesen sein, um all das umsetzen und verwirklichen zu können, was wir uns für die Kinder vorgenommen haben. Wir freuen uns riesig, dass wir bereits die ersten Törns für 2023 geplant haben und können es kaum erwarten, in die Augen der Kinder zu sehen, wenn es wieder heißt: “Leinen los“.

Wir freuen uns über jede Unterstützung! Werde auch du Teil der Sail for Kids Crew https://sailforkids.org/

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